Mann mit Helm steht vor der Ruine eines Hochhauses
privat
Marco Pfister steht vor der Ruine eines mehrstöckigen Hochhauses in der türkischen Stadt Kahramanmara¿. Nach dem Erdbeben unterstützte der geprüfte Thanatopraktiker als Mitglied des Deathcare Embalmingteams Germany bei der Bergung, Desinfektion und Identifizierung von Verstorbenen.

Hochqualifiziert und international einzigartig

Die Kenntnisse und Fertigkeiten deutscher Bestattungsspezialisten erfahren auch international Wertschätzung und Anerkennung. Das zeigt der jüngste Einsatz des Deathcare Embalmingteams Germany e. V. in der Stadt Kahramanmaraş im Südosten der Türkei. Das Team geprüfter Thanatopraktikerinnen und -praktiker ist spezialisiert auf die hygienische und ästhetische Versorgung von Verstorbenen und unterstützte Anfang Februar ehrenamtlich bei der Versorgung und Identifizierung von Opfern des schweren Erdbebens. Als Teil dieses Teams war auch Marco Pfister, Bestattungsfachkraft und geprüfter Thanatopraktiker aus Schweinfurt, vor Ort. Gemeinsam mit seinem Chef Ralf Michal, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Bestatter, spricht er im Interview über das Erlebte und ein international einzigartiges Hilfsangebot, das nur dank professioneller Aus- und Weiterbildung möglich ist:

Herr Pfister, was war Ihre persönliche Motivation, sich ehrenamtlich im Deathcare Embalmingteam zu engagieren?

Marco Pfister: Mit unserer Arbeit helfen wir Angehörigen, ihre Verstorbenen bestatten und sich in Würde verabschieden zu können. Und genau das ist meine Motivation: Den Menschen vor Ort und auch Angehörigen hier in Deutschland diese Möglichkeit zu geben.

Wie waren Ihre ersten Eindrücke, als Sie im Katastrophengebiet angekommen sind?

Die enorme Zerstörung hat mich komplett überwältigt. Ich wollte und konnte das aber nicht zu nah an mich heranlassen. Es galt, gleich nach der Ankunft eine Übergabe mit den Kollegen zu machen, die bereits vor Ort waren und die wir abgelöst haben. Sie haben uns gezeigt, welche Infrastruktur wir nutzen, wie Baustellen angelaufen werden und welche Ansprechpartner wir kontaktieren können. Konkret ging es bei dieser Übergabe zudem darum, die Zusammenarbeit mit der dortigen Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft kennenzulernen.

Wie sah Ihre Arbeit vor Ort dann konkret aus?

Wenn Einsatzkräfte bei Bergungsarbeiten Verstorbene entdeckt haben, war es unsere Aufgabe, sie zu bergen und für den Weitertransport vorzubereiten. In der zentralen Sporthalle, wo Verstorbene gesammelt wurden, haben wir dann bei der Reinigung und Desinfektion sowie dem Nehmen von Fingerabdrücken, DNA-Proben und Zahnstatus zur Identifizierung unterstützt.

Wie konnte Sie Ihre Ausbildung und praktische Berufserfahrung auf den Einsatz im Erdbebengebiet in der Türkei vorbereiten?

Als Thanatopraktiker bin ich nicht nur für meinen Arbeitgeber, sondern auch für Kollegen im Umkreis tätig. Diese langjährige Tätigkeit war in gewisser Weise eine gute Vorbereitung auf diesen Einsatz, ja.

Ralf Michal: Die Weiterbildung zum Thanatopraktiker schult im Umgang mit Unfall- oder Verbrechensopfern. Mit den Bildern vor Ort in der Türkei können diese Spezialisten also als erfahrene Fachkräfte ganz anders umgehen als andere Einsatzkräfte, weil sie sie aus ihrem Berufsalltag kennen. Natürlich ist die Belastung vor Ort dennoch enorm.

Marco Pfister steht inmitten von Bauschutt eingestürzter Gebäude
privat
Marco Pfister, geprüfter Thanatopraktiker aus Schweinfurt.

Können Sie das auch so bestätigen?

Marco Pfister: Ja, vor allem die Auffindesituationen waren teilweise sehr fordernd, weil wir teils gesamte Familien und vor allem viele Kinder geborgen haben.

Wie haben Sie diesen Einsatz im Nachhinein verarbeiten können?

Das Team hat sich Ende März in Münnerstadt noch einmal getroffen. Hier war auch ein Kriseninterventionsteam des Roten Kreuzes dabei. Mit den Kollegen und ganz offen zu sprechen, alles Revue passieren zu lassen, das hat mir sehr geholfen.

Was bleibt Ihnen vom Erlebten am meisten im Gedächtnis?

Ich bin froh, einen wichtigen Beitrag dazu geleistet zu haben, dass möglichst viele Menschen von ihren verstorbenen Angehörigen Abschied nehmen konnten.

Eingestürzte Gebäude und Menschen, die bei Nacht vor einem Kran stehen.
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Bergungsarbeiten bei Nacht in der türkischen Stadt Kahramanmara¿ nach dem schweren Erdbeben.

Herr Michal, wie ist das Deathcare Embalmingteam mit dem Bundesverband Deutscher Bestatter verbunden, dessen Präsident Sie ja sind?

Das Team ist ein eigenständiger Verein, hat aber natürlich die volle Unterstützung unseres Bundesverbandes. Als Verband pflegen wir intensive Kontakte in die Politik, die in diesem Fall beispielsweise auch geholfen haben, den Einsatz des Teams im Erdbebengebiet in der Türkei anzustoßen.

Welche Rolle spielen die Qualitätsstandards der Aus- und Weiterbildung im Bestatterhandwerk für solche Einsätze?

Solche Einsätze zeigen, wie übrigens auch die Corona-Pandemie, dass es gut ausgebildete Fachkräfte braucht, um Verstorbene zu bergen, zu versorgen und auch zu identifizieren.

Sehen Sie das Bestatterhandwerk in einer internationalen Vorreiterrolle, was solche Einsätze betrifft?

Das Deathcareteam ist international einzigartig, seine Einsätze rufen sehr positive Reaktionen hervor – sowohl bei internationalen Fachkollegen als auch in der internationalen Öffentlichkeit. Das war auch bei seinen Einsätzen Anfang 2000 beim letzten großen Erdbeben in Türkei oder nach dem Tsunami 2004 in Asien so. Aber: So groß diese Anerkennung international ist, umso mehr müssen wir hierzulande dafür kämpfen. Bei der Flutkatastrophe im Ahrtal beispielsweise hat das Team ebenfalls seine Dienstbereitschaft signalisiert, was von den Innenministerien in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz allerdings nicht angenommen wurde. Für uns als Bundesverband gilt es deshalb, dieses Hilfsangebot noch sichtbarer zu machen.

Ralf Michal | Präsident des Bundesverbandes Deutscher Bestatter e. V.
Bestatterverband Bayern
Ralf Michal, selbstständiger Bestattermeister aus Schweinfurt, und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Bestatter e. V.