Meisterstücke mit Persönlichkeit und Charakter
Während draußen auf dem Flur die letzten Berufsschüler zum Unterrichtsbeginn in ihre Klassen eilen, ist die Stimmung im Mehrzweckraum der Berufsschule Bad Kissingen ruhig, aber gespannt. Hier steht heute für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des aktuellen Meisterkurses unter Leitung von Wolfgang Miller im Drechsler- und Holzspielzeugmacherhandwerk das Fachgespräch an, bei dem sie dem Prüfungsausschuss ihre Meisterstücke präsentieren.
Kombination für die Küche
Takayo Miura ist vorbereitet. Auf dem Präsentationstisch vor ihr liegen verschiedene Küchenutensilien, alle handgedreht und alle einsatzbereit. "Meine Meisterstücke kommen nach Abschluss des Kurses in meiner Küche zum Einsatz", erzählt sie und zeigt unter anderem auf eine Küchenwaage, einen Messbecher und ein Mehlsieb. Für jedes einzelne Stück hat Takayo Miura von Hand eine detailgetreue technische Zeichnung angefertigt. Ihre Stücke aus hochwertigen Hölzern wie Ahorn und Ovankol, einem dunklen afrikanischen Tropenholz, verbinden Design und Funktion optimal miteinander. Was das heißt, wird beispielsweise an der Kurbel deutlich, mit der das Mehlsieb angetrieben wird. "Mein Freund ist Linkshänder, weshalb man die Kurbel auch versetzen und mit der anderen Hand bedienen kann", erklärt sie. Die 28-jährige Japanerin kam 2015 über ein Austauschprogramm nach Deutschland.
In ihrer Heimat hatte sie im Rahmen eines Innenarchitekturstudiums bereits Erfahrungen im Möbelbau gesammelt. "In Schleswig-Holstein habe ich dann 2016 eine Ausbildung zur Tischlerin absolviert und die Ausbildung zur Drechslerin in Bremen angeschlossen", berichtet sie. Die Chancen, die eine duale Ausbildung in Deutschland bietet, hat die Japanerin bis zum Meistertitel für sich genutzt: Als Bundessiegerin in der Deutschen Meisterschaft im Handwerk erhielt Takayo Miura ein Weiterbildungsstipendium und investierte die Fördersumme direkt in die Weiterbildung zur Meisterin im Drechslerhandwerk. Mit dem Meistertitel kehrt sie nun in ihren Wohnort nach Bremen zurück, wo sie ihr Handwerk weiter perfektionieren möchte.
Meisterstücke 2023 - Diashow
Perfekte Präsentation
Perfektion und Maßgenauigkeit stehen auch für Kaspar Straub beim Drechseln im Vordergrund. Er ist an diesem Tag mit seinen 65 Jahren der älteste Prüfungsteilnehmer und präsentiert selbstbewusst eine mehrstöckige Vitrine. "Die Herausforderung an diesem Meisterstück waren verschiedene Drehtechniken und die Bearbeitung der edlen Holzarten", beschreibt er. Eine Aufgabe, für die Kaspar Straub als selbstständiger Schreinermeister zumindest das handwerkliche Geschick bereits mitbrachte. Durch den Meisterkurs in Bad Kissingen habe er sein Können sowie unterschiedliche Drehtechniken noch perfektionieren können. "Die Weiterbildung zum Meister im Drechslerhandwerk habe ich für mich selbst gemacht. Ich wollte aber auch dem Handwerk insgesamt etwas zurückgeben", erzählt der 65-Jährige, der sich auch jetzt noch auf neue, spannende Aufgaben freut. Ähnlich geht es auch Mario Nagel, 51 Jahre alt, aus dem Salzburger Land, der sich mit der Weiterbildung zum Meister einen persönlichen Traum erfüllt hat. "Ich habe als Hobbydrechsler begonnen und stehe heute hier vor meinem Meisterstück", berichtet er stolz. Das ist eine außen schlicht gehaltene Vitrine, in der in Kürze wie bei seinem Kurskollegen Kaspar Straub besondere Unikate, die an der Drehbank entstanden, präsentiert werden sollen.
Die Meisterstücke des aktuellen Meisterkurses im Drechslerhandwerk zeigen an diesem Tag nicht nur das Können und Fachwissen der angehenden Meisterinnen und Meister, sondern vor allem deren Persönlichkeit und Charakter – und jedes einzelne erzählt seine eigene Geschichte.
Renaissance eines außergewöhnlichen Handwerks
Durch das Engagement des Bundesverbandes des Drechsler- und Holzspielzeugmacherhandwerks sind Meisterkurse bundesweit wieder gefragt. Ehrenamtliche Innungsdrechsler aus ganz Deutschland haben sich zudem dafür eingesetzt, dass das Drechslerhandwerk in die bundesweite Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen und 2020 rückvermeistert wurde. Erste Erfolge dieser Maßnahmen zeigen sich bereits in leicht steigenden Meisterprüfungs- und Ausbildungszahlen.